Dass Latein keineswegs eine „tote Sprache“ ist, wurde auf dieser Fahrt eindrucksvoll erlebbar: Im Austausch mit italienischen Schülerinnen und Schülern des Liceo Keplero stand nicht nur das gemeinsame Erforschen antiker Texte im Mittelpunkt – vielmehr wurden deren Inhalte in lebendige Zusammenhänge mit Kunst, Psychologie und digitaler Kommunikation gestellt. Latein bildete dabei die ideelle Brücke zwischen den Kulturen, während Englisch und Italienisch die Kommunikation ermöglichten.
Die Reise begann mit einer 21-stündigen Fahrt im Nachtzug von München nach Rom, die einen unvergesslichen Zwischenstopp in Venedig beinhaltete. Am Sonntagmorgen frühstückten die Schülerinnen und Schüler mit Blick auf die Chiesa di San Simeon Piccolo, während sich der Zug über das glitzernde Wasser der Lagune näherte. Am Nachmittag hieß Rom seine Gäste herzlich willkommen: Mit selbstgebastelten Plakaten und Flaggen empfingen die Gastfamilien ihre Austauschpartnerinnen und -partner am Bahnhof Termini.
Am Montag tauchte die Gruppe erstmals in das italienische Schulleben ein. Nach einer Führung durch das Liceo Keplero begann die intensive Projektarbeit mit dem Thema „Reflections: modernity in Ovid’s Metamorphoses“. In kleinen, internationalen Gruppen wurden unter anderem das Proömium der Metamorphosen sowie die Geschichte um Echo und Narcissus analysiert. Auch künstlerische und psychologische Perspektiven fanden Eingang in die Auseinandersetzung – etwa beim Workshop zur Maltechnik Caravaggios oder in der Diskussion um narzisstische Persönlichkeitsstörungen. Der Schultag endete mit einer allgemeinen Debatte zur Frage „Wie sollte Lernen allgemein gestaltet werden?". Grundlage der Diskussion bot Quintilians Werk "Institutio oratoris". Dabei verglichen die Schülerinnen und Schüler nicht nur Quintilians Vorstellungen mit den gegenwärtigen, sondern auch die Lernkonzepte der beiden europäischen Nachbarländer Italien und Deutschland.
Am Nachmittag rundete ein Besuch der internationalen Ausstellung von Caravaggios Werken im Palazzo Barberini das Thema perfekt ab. Dort bestaunten die Jugendlichen Caravaggios berühmtes Gemälde „Narcissus“ – ein direkter Brückenschlag zwischen antiker Literatur und barocker Malerei. Der Tag klang in den Gastfamilien bei Pasta, Pizza und italienischem Familienleben aus.
Am Dienstag stand das Hospitieren im Unterricht auf dem Programm. Die deutschen Jugendlichen erhielten einen Einblick in den italienischen Schulalltag, während die begleitenden Lehrkräfte an einem Job Shadowing-Programm teilnahmen. Der Nachmittag führte die Gruppe direkt in das Herz der römischen Antike: das Forum Romanum als politisches, wirtschaftliches und religiöses Zentrum des damaligen Reiches sowie das Kolosseum. Mit dem Besuch der Überreste des Concordia-Tempels betraten die Schüler jenen historischen Ort, an dem Cicero seine berühmten Reden gegen Marcus Antonius hielt, ein Thema, den die Gruppe bereits im Herbst im Unterricht bearbeitet hatte. Der Tag endete sportlich: Bei einem gemeinsamen Fußballabend fieberte man beim Spiel Inter Mailand gegen den FC Bayern mit.
Am Mittwoch vertieften weitere Workshops den mythologischen Stoff rund um Echo und Narcissus. Im Zentrum stand die Aktualisierung der antiken Themen: Die Jugendlichen diskutierten moderne Spiegelbilder wie die Echo-Kammern sozialer Netzwerke oder die Wirkung von Künstlicher Intelligenz als Echo menschlicher Arbeiten. Ein anschließendes Picknick am Tiber und eine Führung durch die Zentrumsschule des Liceo Keplero gaben Einblick in deren nachhaltiges Schulkonzept mit Dachgarten, Gemüsegarten und einer grünen Pflanzenwand. Am Nachmittag wurde am Strand von Ostia gemeinsam Sport getrieben – bei Volleyball und Fußball kam auch der olympische Gedanke dabei nicht zu kurz.
Der Donnerstag stand im Zeichen der Stadt Rom: Eine geleitete Tour führte über die Piazza di Spagna, Piazza Navona, das Pantheon und das jüdische Viertel – mit den italienischen Jugendlichen als stolze Fremdenführer. Ein spiritueller Höhepunkt war das Durchschreiten der Heiligen Pforte am Petersdom, die nur alle 25 Jahre geöffnet wird. Als Pilgergruppe gemeinsam von der Piazza Pia zum Petersdom zu schreiten, war für viele ein emotionaler Moment. Der Tag klang mit einem festlichen Pizzaessen in Trastevere aus – inklusive Geburtstagsfeier für eine deutsche Schülerin.
Am Freitagmorgen hieß es schließlich Abschied nehmen. Tränen flossen am Bahnhof – nicht nur wegen des Endes einer Reise, sondern auch wegen der entstandenen Freundschaften. Aus Austauschpartnern waren echte Freunde geworden. Der Wunsch nach einem baldigen Wiedersehen in Dorfen ist groß – vielleicht beim geplanten Grillfest im Sommer.
Arrivederci, Roma!
Der Lateinaustausch war nicht nur eine fachliche Bereicherung, sondern ein Erlebnis, das über Sprachen, Kulturen und Generationen hinweg Brücken gebaut hat – ganz im Sinne Ciceros und Ovids.